Verborgene Universen

Die bekannte amerikanische Astrophysikerin, Expertin für Teilchenphysik und Kosmologie, erwartet in den nächsten fünf bis zehn Jahren astrophysikalische oder kosmologische Tests, die uns Auskunft über die „extradimensionale Raumzeit“ geben werden. Einen entscheidenden Beitrag wird der im Bau befindliche Large Hadron Collider (LHC) am CERN im Teilchenbeschleunigungszentrum in Genf liefern. Mit Hilfe des LHC werden wir dann in physikalische Dimensionen vordringen, die noch nie zuvor ein Mensch beobachtet hat. Diese Tests werden uns weitere interessante Ergebnisse über Geheimnisse und Rätsel unseres „wunderbaren Universums“ liefern.
Der LHC wird hoffentlich genug Energie haben, um die neuen Arten von Teilchen zu produzieren, von denen die wissenschaftliche Welt Aufklärung über unseren Kosmos erhofft. Vielleicht gelingt es sogar, vierdimensionale Modelle vorherzusagen. Es könnten aber auch Kaluza-Klein-Teilchen (KKT) sein, die zusätzliche kosmische Dimensionen durchziehen. Bei den KKT handelt es sich um vierdimensionale Teilchen mit dem Ursprung in höheren Dimensionen. KKTs werden anhand ihrer extradimensionalen Impulse unterschieden. Der LHC ist ein Hochenergie-Teilchenbeschleuniger, der Protonenstrahlen von 7 TeV (eine Billion Elektronenvolt) aufeinanderprallen lassen kann und Teilchen mit einer Masse bis zu ein paar TeV erzeugen wird. Wenn Lisa Randall über den LHC berichtet, gerät sie ins Schwärmen: „Astrophysikalische Beobachtungen werden den Kosmos in früheren Zeiten, in größeren Entfernungen und mit mehr Details als je zuvor erkunden. Entdeckungen mit dem LHC werden uns etwas über das Wesen der Materie bei Entfernungen sagen, die kleiner sind als alle je zuvor beobachteten physikalischen Prozesse. Bei höheren Energien müssten die Wahrheiten über das Universum zu explodieren beginnen.“
Der Kosmos wird beginnen, weitere Geheimnisse preiszugeben, und wir dürfen dies miterleben! Dies ist faszinierend, aufregend und großartig zugleich, Lisa Randall ist besonders gespannt auf die Forschungsergebnisse in Genf, weil sie bereits einige überraschende Eigenheiten der Teilchen und des Kosmos vorhergesagt hat. Diese bislang unbestätigten Vorhersagen über Modelle, Konzepte und Theorien des Universums sind Gegenstand ihres neuen Werkes. Einige der präsentierten Ideen sind abstrakt und spekulativ. Dazu gehören Überlegungen zu den extradimensionalen Räumen, zur Supersymmetrie und Stringtheorie. Lisa Randall stellt Vermutungen über unendlich große Extradimensionen an, die wir aber nicht sehen können. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass wir auf unserem Planeten in einem „räumlich dreidimensionalen Schlundloch eines höherdimensionalen Universums leben“. Damit die Leser nicht vorzeitig aufgeben, hat die Verfasserin einen didaktischen Kunstgriff gewählt. Jedes Kapitel beginnt mit einer kurzen Geschichte, die ein „Schlüsselkonzept“ mit eher vertrauten Metaphern und Milieus herausarbeitet. Diese Geschichten sollten nach der Lektüre des Kapitels nochmals repetiert werden. Zur Funktion der Einleitungsgeschichten schreibt Randall: „Sie können sich die Geschichte als zweidimensionale Erzählungen vorstellen, die sich vertikal durch das jeweilige Kapitel und horizontal quer durch das Buch ziehen. Oder Sie betrachten sie als eine Art spielerischer Hausaufgabe, anhand derer Sie ermessen können, wann Sie sich die Ideen eines jeden Kapitels zu Eigen gemacht haben“. Die einzelnen Kapitel sind so angeordnet, dass man sich je nach Hintergrund und eigenem Interesse mit den fesselndsten theoretischen Ideen beschäftigen kann. Die zentralen Ergebnisse jedes Kapitels werden in wenigen Kernsätzen am Schluss nochmals zusammengefasst. Gleichzeitig erfolgt ein Ausblick auf neue Ideen über die wichtigen „Zusatzinformationen“. Das gleiche Verfahren wird am Ende der „extradimensionalen Kapitel“ verwendet, um herauszustreichen, was die einzelnen möglichen Optionen für „extradimensionale Universen“ voneinander unterscheidet. Da die mathematischen Details nicht für alle Leser besonders aufregend sein dürften, hat Randall einen mathematischen Anhang verfasst, der mit den einzelnen Kapiteln verknüpft ist. Besonders hilfreich sind das Glossar und das Personen- und Sachregister.
Lisa Randall betont wiederholt, dass es im Reich der Theorie noch viele Vermutungen und Spekulationen gibt. Bislang wissen wir noch nicht, welche der „vielen Möglichkeiten die wahre Beschreibung des Universums ist“. Es soll nichts Interessantes ausgelassen werden. Sie will neue faszinierende Ideen vorstellen, die zuvor niemand für möglich gehalten hätte. Sie hält die Spekulation als das Tor zum neuen. Dieses Tor muss immer wieder aufgestoßen werden. Der bekannte englische Kosmologe und Astrophysiker Martin Rees hat allerdings seine Kollegen vor kurzem in seinem Buch Das Rätsel unseres Universums vor wilden Spekulationen gewarnt.
Quelle: Naturwissenschaftliche Rundschau 60, 2007; mit freundlicher Genehmigung.
 
Von derselben Autorin:
15.11.12: Die Vermessung des Universums: Neben der Beschreibung der Grenzen heutiger Forschung steht die Klärung des Wesens der Naturwissenschaften im Zentrum des neuen Buches der Physikerin Lisa Randall. Auch CERN und Higgs-Teilchen finden besondere Beachtung. Eine Besprechung von Gottfried Kleinschmidt.

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