Der mittelalterliche Mensch lebte in einem geschlossenen, endlichen Kosmos, in dem alle Lebensäußerungen auf Gott hingeordnet sein sollten. Die Naturbetrachtung beschrieb das ‚Buch Gottes’, seine Schöpfung und erweckte dadurch im Menschen die Sehnsucht nach Gott selbst. Architektur, Musik und Dichtung wollten die göttliche Ordnung nachbildend darstellen. Die Kunst solle die Natur nachahmen, sagte man, dann würde auch sie zur ‚Manuductio’, zur Handleitung zu Gott.

Flammarions Holzstich – in L’atmosphère, Paris 1888, als Illustration zu “La forme du ciel” im Kapitel “Le jour”
Abbildung gemeinfrei
Der Ausgangspunkt der Gegenwart ist ein völlig anderer. Mit der Ablösung des mittelalterlichen Weltbildes und der Entwicklung der modernen Naturwissenschaften ging ein einheitliches Weltbild verloren. ‚Die Wege der Natur sind nicht der Weg zu Gott’, sagt Galileo Galilei. Die Naturwissenschaften beanspruchten zunehmend, die Welt vollständig ohne Bezug auf ein weltjenseitiges Prinzip erklären zu können bis hin zur Entstehung des Lebens wie des Universums. Religion ist daher nicht mehr das selbstverständliche und alltägliche Lebenselixier der Menschen. Der gläubige und fraglose Rückbezug auf Offenbarung ist für viele unmöglich, so daß in einer von den Naturwissenschaften geprägten Zeit die Begründung religiöser Erfahrungen andere Wege beschreiten muß.


Recent Comments