Papst-Tagung über Schöpfung und Evolution

Stellt der Papst die Evolutionstheorie in Frage, wonach die Entwicklung des Lebens auf der Erde ungesteuert verlaufen ist und weitgehend vom Zufall abhängt? Legt sich die Kirche auf die Theorie vom „intelligenten Design“ fest oder gibt es zwischen beiden Auffassungen Verbindungen?
Auf dieser Seite mein erster Leseeindruck, ausführlicher mein Lektüreblog.

Im Jahr 2005 stieß der Wiener Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn durch einen Gastkommentar in der New York Times eine weltweit beachtete Debatte um „Schöpfung und Evolution“ an. Papst Benedikt XVI. beauftragte den Kardinal, näher auf die Problematik und die aktuelle Diskussion zwischen „Evolutionismus“ und „Kreationismus“ einzugehen und bat seinen jährlich zusammentreffenden Schülerkreis, sich diesen Fragen zu stellen. Dieser Band dokumentiert die aufsehenerregende Tagung, zu der Papst Benedikt XVI. im Jahr 2006 in die päpstliche Sommerresidenz Castelgandolfo über das Thema „Schöpfung und Evolution“ eingeladen hat: mit den dort gehaltenen Vorträgen aus Naturwissenschaft, Philosophie und Theologie sowie der Diskussion, an der Papst Benedikt XVI. selbst durch viele Gesprächsbeiträge teilgenommen hat.
Referenten der Tagung zum Thema „Schöpfung und Evolution“ waren Prof. Peter Schuster vom Institut für Theoretische Chemie der Universität Wien, Prof. em. Robert Spaemann von der Ludwig-Maximilians-Universität München, Prof. Paul Erbrich SJ von der Hochschule für Philosophie München, und der Erzbischof von Wien Christoph Kardinal Schönborn.

(aus Klappentext und Pressemitteilung des Verlages)

Mein erster Leseeindruck

 Peter Schuster: Die Evolution läuft nach Naturgesetzen ab und bedarf keiner Intervention von außen.


Peter Schuster: Die Evolution läuft nach Naturgesetzen ab und bedarf keiner Intervention von außen.


Einer der wichtigsten Beiträge ist der des einzigen Naturwissenschaftlers auf der Gandolfo-Tagung, Peter Schuster (hat seinerzeit mit Manfred Eigen über die Entstehung des Lebens geforscht), der mit dem vorsichtigen Angebot eines Brückenschlages endet – sinngemäß: Stürzt euch als Theologen nicht auf die Lücken, sondern auf den Gesamtverlauf der Evolution, die es auf faszinierende Weise geschafft hat, durch viele Nadelöhre den schmalen Korridor vom Urknall zum Menschen zu durchschreiten (56, 121f., 136, 154).
Dessen ungeachtet werden die Theologen des Bandes nicht müde, Schuster wieder und wieder auf Lücken, Erklärungsdefizite, Sprünge der Evolution anzusprechen (Erbrich 75; Schönborn 85, 87; Weimer 101; Schönborn 107, 110, 111; Erbrich 114, 139; Papst 150f.). Wollen Sie daraus vielleicht doch theologischen Honig saugen?

Da viele eine Trendwende wittern (wird es nach dem versöhnlichen Johannes Paul II. unter Benedikt XVI. einen neuen Konflikt mit den Naturwissenschaften geben?), wird die Position des Papstes in diesem Buch freilich mit Spannung erwartet: sie wird z. T. durch Kard. Schönborn refereriert und mit wichtigen Zitaten belegt (7-22), z. T. geht sie aus den Stellungnahmen des Papstes zu den einzelnen Referaten hervor (144-161). Kurz gesagt meint der Papst, „dass die Welt im einzelnen in einem sehr komplizierten Evolutionsprozess entstanden ist, dass sie aber im tiefsten eben doch aus dem Logos kommt“ (21). Diese Herkünftigkeit aus dem Logos dürfe man sich nicht vorstellen „als ein handwerkliches Tun Gottes …, der hier plötzlich in der Welt zu hantieren beginnen würde“ (15). Wohl aber ist dieser Logos das „Intelligent Design“ des Kosmos (21)! Darin mag man sicherlich eine Rückendeckung für Kard. Schönborn erblicken, der mit seinem Vorstoß in der New York Times („Finding Design in Nature“) 2005 einen Schulterschluss mit der US-amerikanischen „Intelligent-Design-Bewegung“ vollzogen hat (ob beabsichtigt oder nicht) und für heftigste Reaktionen gesorgt hatte. Design aus theologischer Perspektive – warum nicht? Aber Design als Keule gegen den Darwinismus – hmm! Und: Ist dieses göttliche Design allein mit den Mitteln der Vernunft „mit Gewissheit“ in der Schöpfung zu erkennen, wie Schönborn immer wieder betont (z. B. 87). Hier grenzt sich auch der Papst von Kard. Schönborn ab: „Natürlich gibt es die Rationalität in der Natur, aber sie gestattet uns nicht, eine totale Einsicht in den Plan Gottes zu gewinnen. Es bleiben also die Kontingenz und das Rätsel des Schrecklichen in der Natur … Unbeschadet der Rationalität, die es gibt, können wir eine Komponente des Schreckens feststellen, die nicht mehr philosophisch auflösbar ist.“ Der Papst will mit der Schönborn-Kritik zwar nicht so weit gehen wie Wiedenhofer, aber: „Kardinal Schönborn und Herr Wiedenhofer sollten sich deshalb zusammentun, um eine gemeinsame Schau zu finden“ (161). Damit schließt die Dokumentation der Gandolfo-Tagung.
Manche Einordnungen werden durch diesen lesenswerten Band sicherlich weniger spekulativ und differenzierter – ab dem 8. Mai werde ich Tag für Tag die Beiträge der Gandolfo-Tagung (Diskussion inklusive) ausführlicher besprechen.

zum Blog über die Gandolfo-Tagung

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