RSNG-Kongress 2008 – Neurowissenschaften im interdisziplinären Dialog

plakatrsng2008Neurowissenschaften im interdisziplinären Dialog

17.-19. Oktober 2008, Tagungszentrum Hohenheim
Der Kongress zeigte, dass die von den Neurowissenschaften ausgelösten interdisziplinären Debatten für den Dialog Naturwissenschaft – Philosophie – Theologie paradigmatisch sind und implizit bereits Kriterien für gelingenden Dialog enthalten.


Impulse von: Wolfgang Achtner, Christina Aus der Au, Michael Blume, Tobias Müller, Heinz-Hermann Peitz, Günter Rager, Eberhard Schockenhoff, Rüdiger Vaas
Für Nachwuchswissenschaftler:
Gründung eines Netzwerks zum Thema “Geist und Gehirn”
Folie7Detailprogramm
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Kernthesen der ReferentInnen

Freiheit ist keine Illusion

Zunächst stellte sich der Mediziner und Philosoph Günter Rager der radikalsten anthropologischen Herausforderung: ‚Beweisen die Neurowissenschaften, dass wir nicht frei sind?‘ Rager traf dazu die wichtige Unterscheidung zwischen Neurowissenschaften und Neurophilosophie. Erstere forschten im klassischen Sinne der Naturwissenschaften, letztere verarbeite die Ergebnisse der Neurowissenschaften zu Welt- und Menschenbildern. Die Neurophilosophen kämen zwar häufig aus den Neurowissenschaften, verträten aber Interpretationen und Theorien, die weltanschaulicher Natur sind. Die Mehrzahl dieser Neurophilosophen gehe in die Richtung eines reduktionistischen Naturalismus. Rager machte unmissverständlich klar, dass der reduktionistische Naturalismus aus der Hirnforschung ebenso wenig folgt wie aus der Physik der Materialismus. Die neurowissenschaftlichen Befunde seien weltanschaulich neutral. Das Problem mit der Freiheit entstehe nicht durch die Neurowissenschaften, sondern durch jene Neurophilosophen, welche neurowissenschaftliche Daten reduktionistisch interpretieren. Experimente, die ‚Ich‘, ‚Freiheit‘ und ‚Gott‘ als Illusion entlarvten, sprächen bei genauerem Hinsehen weder für noch gegen Freiheit. Die wirklichen Leistungen der Hirnforschung träten erst zu Tage, wenn der ‚weltanschauliche Ballast‘ entfernt sei.

Involviertes Subjekt und distanzierter Welt-Beobachter

Im Anschluss an Rager konnte der Ethiker Eberhard Schockenhoff die Kritik an der Bestreitung der Freiheit voraussetzen und sich seinem positiven Aufweis zum Vermögen der Freiheit aus christlicher Sicht widmen. Schockenhoff ging dabei von der Unterscheidung von 1.-Person-Perspektive und 3.-Person-Perspektive aus. Während die 1.-Person-Perspektive für die subjektive Teilnahme und Selbsterfahrung (zum Beispiel der Freiheit) steht, repräsentiert die 3.-Person-Perspektive die distanzierte Zugangsweise der Wissenschaft als Beobachter. Auch wenn diese Unterscheidung von den meisten Neurowissenschaftlern geteilt werde, entsteht laut Schockenhoff doch häufig der Verdacht, die subjektive Perspektive müsse der scheinbar objektiven der Wissenschaft untergeordnet werden. Demgegenüber verteidigt Schockenhoff den seinsmäßigen Primat des Mentalen, Subjektiven, das eben nicht eine seinsmäßig abkünftige Modalität des Realen sei. Das Subjektive und Mentale (die 1.-Person-Perspektive) bilde vielmehr selbst den unhintergehbaren Ausgangspunkt auch einer naturwissenschaftlichen Welterklärung (der 3.-Person-Perspektive).

Netzwerk Geist – Gehirn

Den Abschluss des Kongresses bildete die Gründung eines Netzwerks für Nachwuchswissenschaftler im Bereich „Geist – Gehirn“ in Kooperation mit dem von der VolkswagenStiftung und der Fritz-Thyssen-Stiftung geförderten Dilthey-Fellowship „Das Rätsel des Bewusstseins – Auf der Suche nach einer integralen Theorie“. Tobias Müller erhielt dieses Fellowship, das herausragenden Nachwuchswissenschaftlern die Möglichkeit geben soll, fächerübergreifende Forschung zu betreiben. Zur Netzwerkgründung fanden sich 22 hochqualifizierte Jungakademiker ein und gaben den Startschuss für wissenschaftliche Folge- und Detailprojekte im Themenbereich „Geist – Gehirn“. Zur Unterstützung der Vorbereitungen hat das Netzwerk inzwischen auf der Plattform ‚facebook‘ unter dem Namen „Network ‚Mind and Brain‘“ ein virtuelles Forum gegründet und sich dadurch auch international eingebunden.
netzwerk


Der jährliche RSNG-Kongress im Tagungszentrum Hohenheim der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart bietet sich seit 2005 zu einem interdisziplinären Treffpunkt für Profis, Nachwuchswissenschaftler und Verlage gleichermaßen an.
Neben einem wechselnden inhaltlichen Schwerpunkt wird Erfahrungsaustausch ermöglicht und auch über finanzielle Fördermöglichkeiten informiert.
Der Kongress wurde veranstaltet von:
Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart
LSI-Gruppe der Liebig-Universität Gießen
LSI-Gruppe der Goethe-Universität Frankfurt
LSI-Gruppe der Ludwig-Maximilians-Universität München

Die Tagungsbeiträge in der Übersicht

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