Über das Vermögen zur Freiheit

Über das Vermögen zur Freiheit
Eberhard Schockenhoff
Vortrag auf dem RSNG-Jahreskongress 2008 mit dem Themenschwerpunkt „Neurowissenschaften im interdisziplinären Dialog“ vom 17.-19. Oktober 2008, Stuttgart-Hohenheim
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Involviertes Subjekt und distanzierter Welt-Beobachter

Im Anschluss an Rager konnte der Ethiker Eberhard Schockenhoff die Kritik an der Bestreitung der Freiheit voraussetzen und sich seinem positiven Aufweis zum Vermögen der Freiheit aus christlicher Sicht widmen. Schockenhoff ging dabei von der Unterscheidung von 1.-Person-Perspektive und 3.-Person-Perspektive aus. Während die 1.-Person-Perspektive für die subjektive Teilnahme und Selbsterfahrung (zum Beispiel der Freiheit) steht, repräsentiert die 3.-Person-Perspektive die distanzierte Zugangsweise der Wissenschaft als Beobachter. Auch wenn diese Unterscheidung von den meisten Neurowissenschaftlern geteilt werde, entsteht laut Schockenhoff doch häufig der Verdacht, die subjektive Perspektive müsse der scheinbar objektiven der Wissenschaft untergeordnet werden. Demgegenüber verteidigt Schockenhoff den seinsmäßigen Primat des Mentalen, Subjektiven, das eben nicht eine seinsmäßig abkünftige Modalität des Realen sei. Das Subjektive und Mentale (die 1.-Person-Perspektive) bilde vielmehr selbst den unhintergehbaren Ausgangspunkt auch einer naturwissenschaftlichen Welterklärung (der 3.-Person-Perspektive). Das Geistige kennzeichne eine eigenständige Dimension der Welt, weil es die transzendentale Voraussetzung des menschlichen Existenzvollzuges sei: die Bedingung der Möglichkeit unseres Daseins als erkennende und eigenverantwortliche Wesen. Aus einer alle menschlichen Existenzvollzüge umgreifenden Perspektive zeige sich nämlich auch das wissenschaftliche Beobachten, Messen und Vergleichen als eine Form des menschlichen Daseins, das den Subjektstandpunkt des Denkens immer schon voraussetzt. Wissenschaft und Naturforschung, so Schockenhoff, seien in seinsmäßiger Hinsicht überhaupt nur möglich, weil das menschliche Dasein im Gegenüber zur Seinsart von Steinen, Naturdingen oder Artefakten ursprünglichere Modalität des Seins bilde. Wäre dies anders, wäre der Mensch ontologisch Naturdingen vergleichbar, könnte er sich überhaupt nicht erkennend auf die äußere Welt beziehen, wie es im naturwissenschaftlichen Experiment oder dem Versuch der wissenschaftlichen Erklärung von Naturvorgängen geschieht. Somit gründe die naturwissenschaftliche Betrachtungsweise der Welt „selbst in dem durch Subjekthaftigkeit, Verantwortung und Freiheit gekennzeichneten menschlichen Dasein und niemals umgekehrt“.
Der Vortrag wurde im Rahmen des RSNG-Jahreskongress vom 17.-19. Oktober 2008 gehalten.
Hinweis: Siehe auch den gleichnamigen und leicht verständlichen Vortrag Schockenhoffs bei einer Schülertagung.

Die Tagungsbeiträge in der Übersicht

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