Schicksal des Universums

Rezension von Gottfried Kleinschmidt

Der bekannte Philosoph I. Kant soll gesagt haben: „Zwei Dinge sind es, die mich immer wieder mit großer Ehrfurcht erfüllen: Der gestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir!“ Das ruhige Verweilen und staunende Betrachten ist auch für den bekannten Kosmologen und Astrophysiker G. Hasinger faszinierend. Je tiefer wir mit den größten Teleskopen in die unfassbaren Weiten des Universums schauen, umso intensiver dringen wir in die Geschichte des Kosmos ein. Mit jeder neuen Erkenntnis öffnen sich neue Türen zum Unbekannten und Unerforschten. Astrophysik und Kosmologie konfrontieren uns mit fundamentalen Umwälzungen unseres Verständnisses von Raum und Zeit, der Entstehung und der Zukunft des Universums und der extraterrestrischen Gesetze.
G. Hasinger warnt wie sein Kollege Martin Rees (Königlich-Britischer Hofastronom und Hochschullehrer an der University of Cambridge) vor Spekulationen und übertriebenen Behauptungen und stellt in Analogie zur Medizin fest: „Wenn wir zu oft von neuen Durchbrüchen berichten, die sämtliche bisherigen Vorstellungen über den Haufen werfen, werden wir bald jede noch so verdiente Glaubwürdigkeit verspielt haben“. Daher ist es für G. Hasinger sehr wichtig, zwischen Faktischem und Hypothetischem genau zu unterscheiden. Während M. Rees sich mit „den Rätseln des Universums“ beschäftigt, fragt G. Hasinger nach dem „Schicksal und lädt die Leserinnen und Leser zu einer Reise vom Anfang zum Ende“ ein.
Zu der „dunklen Seite des Universums“ gehören nicht nur der chaotische Beginn und „die Kraft aus dem Nichts“, sondern auch „die dunkle Materie in Galaxienhaufen“ sowie die Teilchen der „dunklen Materie“. Sehr interessant ist die Beschäftigung mit dem „Urknall“ und der Inflationshypothese sowie die Funktion der Neutrinos und der „Elektron-Positron-Paare“. G. Hasinger weist nachdrücklich darauf hin: „Wo immer möglich, werde ich versuchen, nicht nur die neuen, faszinierenden Erkenntnisse über unser Universum darzustellen, sondern auf den Stationen unserer Reise Ihnen auch die Methoden, mit denen in der Astrophysik gearbeitet wird, sowie die menschliche Seite der Erforschung des Weltalls und die dazugehörigen Anekdoten nahezubringen. Dabei werde ich mich bemühen, Ihnen ein Gefühl zu geben, an welchen Stellen unser Wissen noch so unvollständig ist, dass wir eigentlich nur spekulieren können und die Reise dadurch etwas holprig wird. Natürlich verschieben sich die Grenzen zwischen Nichtwissen und Wissen ständig für uns alle“. Sein Kollege M. Rees ist der Meinung, dass diese Grenzen und „die Rätsel des Kosmos“ eine große Herausforderung für begabte junge Menschen sind und zu besonderen intellektuellen Anstrengungen auffordern.
C. Hasinger berichtet nicht nur vom „Kreißsaal der Sterne“ und den „unzählig vielen Welten“, sondern auch vom „Sternenfriedhof“ und den größten Explosionen nach dem Urknall. In diesem Zusammenhang gehören auch die aufregenden „Kosmischen Monster“ (Schwarzen Löcher), die man in Verbindung mit dem „Galaxienkannibalismus“, aber auch der „Hochzeit der Giganten“ sehen kann! Das Schicksal des Universums hängt mit dem Schicksal der Galaxien sowie der Zukunft des Sonnensystems zusammen. An dieser Stelle weist G. Hasinger nachdrücklich darauf hin, dass die Grenzen zwischen den bekannten Fakten und der Spekulation fließend sind. Mit dem Schicksal ist auch das Ende eng verbunden. „Die meisten Sterne im Universum enden wie unsere Sonne als Weiße Zwerge. Sterne hingegen, die sehr viel schwerer als die Sonne sind, beenden ihr Leben in einer Supernova-Explosion und hinterlassen noch kompaktere Reste: Neutronensterne und Schwarze Löcher“. Diese Schwarzen Löcher können auf hunderte Milliarden Sonnenmassen anwachsen und haben eine fast „ewig lange Zeit zur Verfügung“. Schwarze Löcher mit Millionen Sonnenmassen, wie das derzeit im Zentrum unserer Galaxie liegende, leben etwa 10hoch83 Jahre und solche von der Masse unserer ganzen Galaxie etwa 10hoch98 Jahre.
Zum Schluss stellt G. Hasinger die Frage: Und wo bleibt Gott? Er erwähnt Papst Johannes Paul II. und die kirchliche Rehabilitation Galileo Galileis und eine Veranstaltungsreihe der Stiftung „Weltethos“ des Theologen Hans Küng, die an der Universität Tübingen stattgefunden hat.
Gott als das „Sein an sich“ (ipsum esse) erinnert den Astrophysiker an die „mysteriöse dunkle Energie oder an das Higgs-Feld am Anfang des Universums“. Dabei handelt es sich um ein skalares, allumfassendes Energiefeld, aus dem das Universum entstanden ist. Oder spielt vielleicht doch die „creatio ex nihilo“, die Schöpfung aus dem Nichts eine entscheidende Rolle? Vielleicht gibt es sogar Affinitäten zwischen den Denkformen einiger moderner Theologen und Kosmologen! „Ist Gott das Nichts?“ – die gähnende Leere im „unendlichen“ Kosmos? – Viele Rätsel, viele Geheimnisse!

Hasingers Gott – Überlegungen von H.-H. Peitz

Ich beginne dort, wo Gottfried Kleinschmidts Besprechung endet: Die Frage nach Gott, der Hasinger ein abschließendes Kapitel widmet. Die Hinweise, die Kleinschmidt bereits genannt hat, Gott erinnere an die „mysteriöse dunkle Energie oder an das Higgs-Feld am Anfang des Universums“, führen theologisch allesamt in die Irre. Wenn Hasinger Gott schon als das „Sein an sich“, als ipsum esse, einführt, müsste klar sein, dass Gott als solcher eben kein Seiendes ist und mag dies noch so umfassend gedacht sein. Solche Vorstellungen liegen immer noch zu sehr im Denken von innerweltlichen Ursachen und fallen – ganz zu Recht – einer Dawkinsschen Argumentation zum Opfer. Mit Dawkins könnte man dann fragen: Wenn der Schöpfer mit diesem umfassenden Energiefeld identifiziert werden könnte, wer hat dann den Schöpfer geschaffen usw. Dies führt letztlich in einen infiniten regress, trifft aber nicht den theologischen Begriff von Schöpfer, der transzendental gedacht werden muss: als Bedingung der Möglichkeit der Kreativität innerweltlicher Ursachen.
Hasingers Gottesbild ist auch schon im Vorfeld weit von einem theologisch reflektierten Gottesverständnis entfernt. Ihm ist zunächst zwar zuzustimmen, wenn er sich von einem „Lückenbüßergott“ distanziert; unverständlich indes, dass er einen solchen „Lückenbüßergott“ bei Hans Küng zu erkennnen glaubt (263). Nach der Abgrenzung folgt Hasingers positive Bestimmung von Gott: „Meiner Meinung nach ist Gott ein zutiefst geistiges und damit menschliches Phänomen: Ohne Mensch kein Gott“ (263). Hätte er geschrieben „Ohne Mensch kein Gottesbild“ (ein Einwand, den Küng im Gespräch an anderer Stelle formulierte; 264), hätte man noch zustimmen können. Gänzlich endet der Konsens allerdings, wenn Hasinger behauptet: „Gott ist in den Hirnen der Menschen – sonst nirgends“ (264). Wie der Autor allerdings in Anwendung dieser Feuerbachschen Fundamentalkritik versichern kann: „Damit will ich Gott keinesfalls abwerten“ (263f.), dürfte auch einem gutmeinenden Rezensenten unzugänglich bleiben.
Fazit: Wenn Harald Lesch auf dem Klappentext bescheinigt, es handle sich um „ein sehr klares Buch … neu, nützlich und sehr vergnüglich“, ist es sicher eine Empfehlung wert – als interdisziplinärer Brückenschlag zwischen Kosmologie und Theologie allerdings kaum.

Zum Autor

Günther Gustav Hasinger ist ein deutscher Astrophysiker und seit 2001 Direktor der Röntgen- und Gammagruppe am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching und seit 2003 Honorar-Professor an der Technischen Universität München. Seit 2004 ist er Vorsitzender des Rates Deutscher Sternwarten (RDS). Ab November 2008 ist Hasinger der wissenschaftliche Direktor des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik in Garching.
Quelle: Seite „Günther Hasinger“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 23. Februar 2009, 13:25 UTC. (Abgerufen: 22. März 2009, 10:27 UTC)

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