Die Enzyklika "Laudato si" von Papst Franziskus

Fürst und Mieth

Bischof Gebhard Fürst (li.) und Dietmar Mieth


Bischof Dr. Gebhard Fürst und der Sozialethiker Dietmar Mieth haben die jüngste Enzyklika „Laudato Si“ von Papst Franziskus als eindringlichen Appell zur „ökologischen Umkehr“ angesichts fortschreitender Umweltzerstörung gewürdigt. Im Tagungszentrum Stuttgart-Hohenheim betonte Fürst, der Papst rufe den Menschen in seine „Schöpfungsverantwortung“ und in ein neues, solidarisches Freiheitsverständnis. Mieth sagte, das Schreiben mache deutlich: „Umweltzerstörung ist Selbstzerstörung“.
Beide Theologen stimmten darin überein, dass die Erde als das „gemeinsame Haus“ (griech. Oikos), von dem der Papst spreche, durch menschliches Fehlverhalten in seinem ökologischen Gleichgewicht gefährdet sei. Im Horizont der Mitgeschöpflichkeit bildeten die ökologischen Fragen sowie die Fragen der sozialen Gerechtigkeit und Zukunft der Menschheit einen großen Zusammenhang. Es brauche einen Bewusstseins- und Kulturwandel, angestrebt werde ein „Bündnis“ von Mensch und Umwelt. Der endliche Mensch sei vielfach verflochten mit der Natur, unser Körper „ist aus den Elementen des Planeten gebildet“, heißt es in der Enzyklika. Kritisiert werde vom Papst ein Auseinanderfallen von Einsicht und Handlungsbereitschaft, ein gleichgültiger Relativismus und eine „sich-selbst machende Freiheit“, die auf „unbestreitbare Wahrheiten“ verzichte. Um zu einer wirklichen Verhaltensänderung zu gelangen, müssten Einsichten „in persönliches Leiden“ verwandelt werden.
[fvplayer src=“https://youtu.be/NwFOMrfuSe4″]
Zu den Flüchtlingsströmen sagte Fürst, „es wird keine Festung Europa geben“. Wir müssten noch viel mehr lernen, dass alles mit allem zusammenhängt und wir bei der Flüchtlingsproblematik auch „Mitverursacher“ seien. Mieth zufolge laute einer der wichtigsten Sätze der Enzyklika: „Es gibt Güter, die nicht aufgrund von Leistung und Finanzkraft verteilt werden dürfen.“ Als erstes werde das Wasser genannt, es dürfe keine „Privatisierung des Zugangs“ zu diesem kostbaren Gut geben, was auch eine Ursache für die Flüchtlingsströme sei. Auch die Privatisierung des Landes werde vom Papst kritisch gesehen, ebenso die Gentechnik in der Agrartechnik und Ernährung, deren absehbaren ungelösten Folgeprobleme ausgeblendet würden. Das Schreiben sei geprägt von einer „Achtsamkeit gegenüber den Schwachen“ und ziele auf eine Umkehrung der Prioritäten: Nicht das Funktionieren der Wirtschaft sei die Bedingung des Sozialen, sondern das Soziale die Bedingung des Wirtschaftens. „Verteilungsgerechtigkeit nach Bedarf gilt vor Verteilung nach Leistung und Machtgewinn.“
Mieth würdigte besonders den kooperativen Stil der Enzyklika, die unter Berücksichtigung des Standes der wissenschaftlichen Forschung in einen Dialog mit der Politik und den Religionen treten wolle. Benutzt werde dazu eine „konduktive, integrierende Methode: Zusammenführung von Erkenntnisses, Einordnung unter ethischen Prinzipien und unter menschliche Motivationen“. Sein Aufruf zur Änderung von Strukturen und zur Umkehr aus persönlicher Betroffenheit in einer zu Herzen gehenden Sprache sei zugleich „ein Zuspruch, die geschwisterliche Welt anders, intensiver und positiver zu erfahren“. Die Erde werde auch als „Schwester“ und „Mutter“ gesehen, was in Lateinamerika eine weit verbreitete Sicht sei, sowie in ihrer Schönheit. Dazu diene der Sonnengesang des heiligen Franziskus, „der in jeder Zeile mittönt“.
Nach den Worten von Bischof Fürst gehe es dem Papst darum, unseren „Lebensstil zu überdenken und radikal zu ändern“. Statt nur technokratisch auf Profit- und Konsumsteigerung auf Kosten der knappen, lebensnotwendigen Ressourcen zu setzen, brauche es eine neue Sinnbestimmung der Existenz des Menschen. Dieser sei nicht nur „Gestalter der Schöpfung“, sondern zuerst ihr „Hüter und Bewahrer“ in der Verantwortung vor seinem Schöpfer. Fürst erinnerte an den ökumenischen Prozess der 80er Jahre unter den drei Stichworten „Frieden, Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung“. Dieser Verantwortung, zu bewahren und solidarisch zu teilen, habe sich die Rottenburger Diözese seit langem gestellt, die in ihrem Diözesanpatron, dem heiligen Martin, dafür auch das beste Vorbild habe.
Als Beispiele für ein „schöpfungsfreundliches“ Handeln der Kirche führte Bischof Fürst an, dass sich Diözese, Gemeinden und kirchliche Vereinigungen seit Jahren mit beträchtlichen Finanzmitteln am „kirchlichen Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanagement“ beteiligten. Dazu gehörten Maßnahmen zur besseren Energieeffizienz bei Heizungen, die Förderung und Nutzung regenerativer Energien und eine umweltgerechte Gebäudesanierung. Bis zum vergangenen Jahr hätten die Kirchengemeinden 73 Millionen Euro für knapp 500 entsprechende Maßnahmen aufgewandt. Auch beim Auf- und Ausbau eines Erneuerbare-Energie-Zentrums im indischen Bundesstaat Kerala engagiere sich die Diözese seit Jahren. (ars/kwh)
Bischof Fürsts Statement zur Enzyklika
Dietmar Mieths Statement zur Enzyklika
Die Enzyklika als pdf-Datei

Related Blogs