Evolution im Unterricht – Evokids- und Leopoldina-Projekt

Ausgangspunkt der von Dittmar Graf vorgestellten Initiativen ist die empirisch abgesicherte Erkenntnis, dass der Evolutionsunterricht, wie er bis jetzt – gleich in welcher Schulstufe – stattfindet, nicht zu einem grundsätzlichen Verständnis der Evolutionstheorie führt. Die vorgestellten Projekte sollen hier nachhaltig Abhilfe schaffen.
[fvplayer src=“https://youtu.be/9Qtf5vfP68k“ splash=“http://www.forum-grenzfragen.de/wp-content/grand-media/image/Graf_Vortrag2.jpg“ caption=“Graf: Evolution im Unterricht. Über die Evokids- und Leopoldina-Initiative“]
Zur Ausgangssituation gehöre, dass an Schulen der Evolutionsunterricht z. T. vollständig fehle, wenn er aber stattfände, bilde er ein typisches Abschlussthema (Klasse 13 oder bei mittlerem Bildungsabschluss Klasse 10). Dagegen müsse die Evolutionsbiologie ein typisches Anfangsthema sein, weil sie einen strukturellen Rahmen für die Biologie setzt, in den man alle anderen biologischen Themen integrieren kann. So solle bei allen biologischen Inhalten der Evolutionsaspekt mitgedacht werden (Graf erinnert an die Formulierung des Evolutionsbiologen Theodosius Dobzhansky, wonach nichts in der Biologie Sinn mache, außer im Lichte der Evolution).

„Nothing in biology makes sense except in the light of evolution“ (Theodosius Dobzhansky)

Für die derzeitige defizitäre Bildungssituation macht Graf u. a. den ehemals schlechten Ruf der Biologie verantwortlich, ausgelöst durch den Missbrauch der Evolutionsbiologie während der Nazizeit. In der Folgezeit habe es die Biologie schwergehabt, sich an Schulen und Universitäten zu etablieren. Die Folgen davon seien noch heute zu spüren, in mangelndem Verständnis und in mangelnder Akzeptanz, v. a. wenn es um die Evolution des Menschen gehe. Einen anderen Grund für die defiziente Rezeption der Evolutionstheorie sieht Graf in verinnerlichten Schöpfungsvorstellungen, die eine Verständnisbarriere darstellen können.
Dies stehe in einem krassen Missverhältnis zur Bedeutung der Evolutionstheorie, die nicht nur wissenschaftlich ebenso etabliert sei wie physikalische Theorien, sondern darüber hinaus auch eine tiefgreifende Bedeutung für unser Welt- und Menschenbild besitze.
An diese Situation knüpfen nun die beiden Initiativen an, von denen sich Graf ein besseres Verständnis der Biologie, aber auch eine größere Akzeptanz verspricht.

Initiative der Leopoldina

Leopoldina_Titelblatt2Die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina (seit 2008 die deutsche Akademie der Wissenschaften) beschäftigt sich in ihrer Stellungnahme mit dem Evolutionsunterricht durch die gesamte Schulzeit hindurch bis hin zur Situation an den Universitäten, an denen die Ausbildung ebenfalls defizitär sei. Die Initiative ist in einem ca. 50-seitigen Papier veröffentlicht, in dem die Leopoldina eine Verbesserung des universitären Curriculums und ein durchgehendes Evolutionscurriculum in der Schule fordert (siehe Vorstellung in diesem Forum).

Die Evokids-Initiative

evokidsSchon vor der Initiative der Leopoldina wurde von Biologiedidaktikern, Evolutionsbiologen, Philosophen und Pädagogen das Evokids-Projekt ins Leben gerufen. Träger des Projekts sind das Institut für Biologiedidaktik der Universität Gießen und die Giordano-Bruno-Stiftung, unterstützt vom AK Evolutionsbiologie (Verband Biologie, Biowissenschaften & Biomedizin). Die Projektleitung liegt bei Prof. Dr. Dittmar Graf, Dr. Michael Schmidt-Salomon und Prof. Dr. Eckart Voland. Das Projekt setzt sich dafür ein, dass das Thema Evolution schon in der Grundschule gelehrt werden kann.
Der schulische Ort für dieses Projekt sei der Sachunterricht, da in der Grundschule Biologie nicht unterrichtet wird. Das bildungspolitische Ziel bestünde darin, dies in den Lehrplänen zu fixieren, auch wenn dies nicht ohne Schwierigkeiten möglich sei: Die Lehrpläne seien bereits sehr voll und der Sachunterricht breit aufgestellt, da viele Fächer hier ihre Inhalte einspeisten. Ausdrücklich betont Graf, dass jeder, der dem Thema „Evolution“ eine Chance geben will, willkommen sei, an der Realisierung der Lehrplanintegration mitzuarbeiten.
Ausgearbeitet und verfügbar liegen schon zahlreiche didaktische Elementarisierungen für den Grundschulbereich vor. Exemplarisch stellte Graf spielerische Annäherungen an Ablauf und Funktionsweise der Evolution vor – auch anhand des von Graf und Schmidt-Salomon herausgegebenen Materialbandes „Evokids – Evolution in der Grundschule“.
Gegenstand der an den Vortrag anschließenden Diskussion ist u. a. das von Schmidt-Salomon verfasste Kapitel „Evolution und Religion“ aus dem genannten Materialband. Die anwesenden christlichen wie muslimischen Theologen wünschen sich hier an verschiedenen Stellen Neuformulierungen, damit der Materialband und das Evokids-Projekt auch von ReligionslehrerInnen auf Akzeptanz stoßen kann (siehe die Besprechung in diesem Forum).

Zur Ergänzung und Vertiefung

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