
Christian Kern: „Die biblische Sensibilität für das Scheitern läuft auf eine Solidarisierung im Scheitern zu.“
Das Kreuz ist zu dem Symbol des Christentums geworden. Ist mit Jesu Tod am Kreuz und mit der Flucht seiner Anhänger nicht die große Vision von einer besseren Welt gescheitert? Aus der Perspektive des damaligen Roms sollte genau das sichtbar werden. Es gibt jedoch eine andere Perspektive: Wenn das Scheitern nicht Endstation ist, sondern zur Durchgangsstation wird, in der neue Lebensmöglichkeiten aufscheinen, verwandelt sich Negatives in Positives. Darum kann Christian Kern formulieren: Das Evangelium Jesu ist eine Kultur des Scheiterns!
Gerade in einer Gesellschaft, in deren Erfolgsperspektive nur der selbstbestimmte Mensch zählt und Scheitern eher tabuisiert wird, ist eine Kultur des Scheiterns mehr denn je heilsam. Menschsein wird dann nicht mehr nur über Souveränität bestimmt, sondern in seiner Zerbrechlichkeit und Endlichkeit ernst genommen, um gerade darin Raum für neue Aufbrüche zu eröffnen. Nachfolge Jesu heißt dann nicht, Scheitern zu tabuisieren, sondern zu integrieren.
Christian Kern über die Kunst des Scheiterns
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Reaktionen aus dem Facebook-Forum
Anfrage: Der Vortrag hat mir im Analyseteil sehr sehr gut gefallen. Ich verstehe zwar das Anliegen, nicht nur dem Karfreitag, sondern gleichsam sogar noch dem Ostersonntag ein „Scheitern“ abzugewinnen – das bildet dann die runde These -, aber da konnte ich dann nicht mehr mit. Ohne die Kraft, „den Auferstandenen sehen und Ihm begegnen“ zu können, kann ich weder die junge Kirche noch die Kirche jetzt denken. Scheitern des Karfreitag und Sieg des Ostersonntag gehören zusammen. Wurde das in der Fragenrunde angesprochen?
Heinz-Hermann Peitz: Vielen Dank für Ihr aufmerksames Mitverfolgen! Für mich gilt ohne Frage das, was Sie sagen: Scheitern des Karfreitag und Sieg des Ostersonntag gehören zusammen. Im Vortrag hört es sich so an, als ob der Sieg des Ostersonntag ein soziales Konstrukt ist („wir geben ihm eine plurale Gestalt“). Wenn das so gemeint sein sollte, dass es „nichts anderes als“ ein Konstrukt ist, kann ich da ebenso wenig mitgehen wie Sie. Wenn aber hinter dem sozialen Konstrukt die Wirklichkeit des Auferstandenen gedacht werden kann, gehe ich mit, so wie das auch in der Fragerunde implizit mitgedacht worden zu sein scheint. Denn explizit angefragt und problematisiert wurde es tatsächlich nicht. Da hätte ich als Moderator wohl besser ausdrücklich nachhaken sollen, da haben Sie vollkommen Recht. In diesem Sinne dann: Besinnliche Karwoche und Frohe Ostern! PS: Ich frage Herrn Kern noch einmal per E-Mail …
Christian Kern: Die Osternarrative beschreiben einen unumkehrbaren Entzug: Der Auferstandene kann nicht festgehalten werden. Die Evangelienstellen der Himmelfahrt formulieren diesen Entzug weiter aus. Diesen Entzug verstehe ich mit Michel de Certeau als „anfängliches Scheitern“ des Christentums. Es kann den, auf den es sich bezieht, gerade nicht vereinnahmen, besitzen oder beherrschen. Aber es kann ihm in den vielfältigen Formen der Nachfolge und der Bezeugung eine plurale Gestalt / Repräsentation geben. Der Osterglaube, also der Glaube an den Auferstandenen, gewinnt darin eine tatsächliche soziale Gestalt. Der Auferstandene ist darin gerade kein „Konstrukt“ (im Sinne einer bloßen Erfindung), sondern er wird darin bezeugt. Je pluraler dieses Zeugnis ist, desto mehr gewinnt der Auferstandene darin ein Gesicht. Diese plurale Gestalt ist das Zeugnis des Auferstandenen in den Geschichten der Menschen. Er ist ihre Inspiration, d.h. Lebenskraft. Er ist der Raum ihrer Pluralität.
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